[GELESEN] Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore

IMG_20171005_211929_688Was für die Motte das Licht, ist für den Bücherwurm die Buchhandlung oder Bibliothek. Denn dort, in seinem natürlichen Habitat, fühlt er sich am wohlsten. Hier wird er belehrt, unterhalten, verzaubert – Dinge, die der Bücherwurm schätzt. Und findet er, während er sich um und durch die Regale schlängelt, darin ein Buch, dessen Schauplatz ebenfalls eine Buchhandlung ist, werden seine Augen groß und beginnen zu leuchten: Hurra, Geschichten aus der Heimat!

Clay Jannon, der Protogonist in Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore, hingegen ist kein besonders großer Bücherwurm – abgesehen vielleicht von seiner Leidenschaft für die Buchreihe The Dragon Song Chronicles. Es ist eher die Arbeitslosigkeit als die Begeisterung für Bücher, die ihn in Mr. Penumbras 24h-Buchladen führt. Hier wird nämlich eine Aushilfe gesucht und Clay, der eigentlich Webdesigner ist, braucht dringend einen Job.
Der Eigentümer, Mr. Penumbra, ist ein liebenswürdiger, älterer Herr, der beinahe so verschroben wirkt, wie seine kleine Buchhandlung. Clay wird sofort eingestellt und übernimmt fortan die Nachtschicht in diesem kleinen, charmanten, wenn auch irgendwie merkwürdigen Geschäft.
Viel zu tun hat er dabei allerdings nicht. Kunden verirren sich nämlich nur selten dorthin. Von Zeit zu Zeit wird der Laden dafür jedoch von etwas exzentrisch wirkenden Lesern besucht. Diese Menschen kaufen allerdings keine Bücher, sie leihen sie sich aus. Die Werke stammen dabei stets aus dem hinteren Teil des Ladens, wo sich verstaubt wirkende Bücher auf endlos hohen Regalen türmen. Mr. Penumbra’s Bookstore ist also nicht nur Buchhandlung sondern auch Bibliothek – wenn auch offenbar nur für einen sehr exklusiven, kleinen Kundenkreis.
Clay findet die ganze Angelegenheit höchst mysteriös – insbesondere weil es ihm untersagt ist, sich die Ausleih-Bücher genauer anzusehen. Schließlich wird die Neugier aber doch zu groß und Clay riskiert einen Blick in diese Werke, die ihre Leser so fesseln.
Aber was ist das? Die Bücher sind voll von kryptischem Buchstabensalat! Sind die Leser dieser Bücher Spione? Code-Knacker? Anhänger eines Kults? Wahnsinnige? Und was hat der Autor von Clays Lieblingsbüchern, Clark Moffat, mit all dem zu tun?
Clay beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit Hilfe seiner Mitstreiter – dem früher nerdigen, heute ausgesprochen erfolgreichen Neel und der schönen, intelligenten Google-Programmiererin Kat – versucht er, den Code dieser Bücher zu knacken. Die jungen Entdecker stoßen dabei auf einen uralten Geheimbund, dessen Ursprünge auf die Anfangszeiten des Buchdrucks zurückgehen.

Mir kommt es ein wenig so vor, als sei ich etwas zu spät zur Party gekommen. Mr. Penumbras 24-Hour Bookstore zog lange Zeit unbemerkt an mir vorbei. Und das, obwohl sich Robin Sloans Erstlingswerk im Jahr 2012 recht hartnäckig auf Bestsellerlisten hielt und seitdem gefühlt von jedem Bücher-Enthusiasten begeistert verschlungen worden ist. Doch man weiß ja: besser spät als nie.  Aber hat sich die Anreise gelohnt?

Joa. Auch in meinen Augen hat Robin Sloan mit Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore ein gelungenes Debüt auf’s Parkett gelegt. Ich verstehe durchaus, warum das Buch so viele Leser gefunden hat.
Der Stil ist modern, flüssig und sicherlich um einiges weniger verstaubt, als die Bücher in Mr. Penumbra’s Buchhandlung es vermuten lassen würden. Genauso frisch und munter wie sein Schreibstil sind auch Sloans Figuren. Auch wenn die eine oder andere, für meinen Geschmack, etwas mehr Tiefe hätte vertragen können, überzeugt hier das Gesamtpaket. Es ist die bunte Zusammenstellung an unterschiedlichsten Persönlichkeiten, die für Witz und Kontraste sorgt: Urkonservative Bibliophile treffen auf Digital Natives, Amateure auf Professionelle, Tech-Gurus auf Künstler, Alte auf Junge, Arbeitslose auf Neureiche, Buchhändler auf Google-Mitarbeiter usw, usw. Diese Gegensätze sind es, von denen die Geschichte lebt.

In einem Roman, in dem Fans von richtigen, echten Büchern und Google-Jünger aufeinandertreffen, würde man vielleicht vermuten, dass eine etwas langweilige Digital-vs.-analog-Grundsatzdiskussion entsteht. Sind Bücher nicht Schnee von gestern und ist Google nicht ein böses nostalgiefressendes Tech-Monster? (*Schnarch!*)
Aber genau das passiert hier eigentlich nicht. Denn was die Protagonisten angeht, so arbeiten alt und jung gut zusammen, ergänzen sich und lernen voneinander. Komischerweise war dieser Einklang eine recht erfrischende Überraschung.

Dennoch muss ich zugeben, dass Mr. Penumbras titelgebender Buchladen im Laufe der Handlung etwas zu weit in den Hintergrund und Google zu stark in den Fokus gerät. Schließlich habe ich dieses Buch auch unter anderem deshalb gekauft, weil ich eben eine Geschichte lesen wollte, die in einer Buchhandlung spielt. Ich hatte diesen Laden irgendwie liebgewonnen und konnte die unzähligen alten Bücher nicht nur vor dem geistigen Auge sehen, sondern beinahe schon vor der geistigen Nase riechen. Eine so tolle Kulisse ab der Mitte des Buches so stiefmütterlich zu behandeln – das nehme ich Robin Sloan dann doch irgendwie etwas übel.

Nichtsdestotrotz ist Mr. Prenumbra’s 24-Hour Bookstore gute, kurzweilige Unterhaltung mit schön verschrobenen Charakteren. Ich kann das Buch guten Gewissens jedem Bücherwurm ans Herz legen – aber nur, wenn er auch Google mag.


Infos zum Buch

Titel: Mr. Penumbras 24-Hour Bookstore
Autor: Robin Sloan
Verlag: Atlantic Books
Erstveröffentlichung: 2012
Seiten: 291
ISBN: 978-1782392330
Deutscher Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (aus dem Englischen von Ruth Keen, Gebundene Ausgabe, Karl Blessing Verlag, 2014; ISBN 978-3896674807)

There are 5 comments

  1. buchstudent

    Tolle Kritik, auch wenn ich persönlich das Übermaß an Google zum Ende hin gar nicht so störend fand, wo doch der Clue zum Schluss woanders versteckt ist – ich mochte diese falsche Fährte sehr.
    Grüße, Reni

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    1. Karo

      Danke, Reni 🙂 Das stimmt, die falsche Fährte ist tatsächlich ganz gut – so hab ich’s noch gar nicht gesehen. Die eigentliche Lösung fand ich allerdings auch sehr charmant 🙂

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      1. buchstudent

        Ich weiß noch, dass ich ziemlich sauer auf das Ende war, als ich das Buch das erste Mal gelesen habe, weil es so aus dem Nichts gegriffen wirkte am Ende. Erst beim zweiten Mal Lesen mochte ich es und verstand die Genialität dieses Kniffs.

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