Bücher im Schnee – 48 Stunden Leipzig

Leipzig, -6 Grad, Schnee: Die Frisur sitzt nicht. Aber wen stört das schon? Die Bücherwürmer der Nation ließen sich nicht vom Wettergott abhalten und pilgerten an diesem Wochenende nach Leipzig – zersaust, mit nassen Socken und durchgefroren. Die Buchmesse hatte gerufen und wir folgten. Zwei Tage Zeit hatten wir im Gepäck und so hieß es für uns: freitags Messe, samstags Sightseeing. Hier ein kleiner Reisebericht.

Am Freitagmorgen ging es los. Was in Berlin nur kalt und windig war, verwandelte sich, je weiter wir auf der Autobahn gen Leipzig fuhren, in einen ausgewachsenen Schneesturm. Vom Beifahrersitz aus konnte ich nichts als Bewunderung für die Fahrkünste meiner Freundin aufbringen, die aus irgendeinem Grund nicht durchgehend panisch schrie, als die Sichtverhältnisse doch recht abenteuerlich wurden. Aber nach 2,5 Stunden hatten wir es geschafft und waren auf dem Messegelände angekommen. Puh! Survival-High-Five!

Es war unsere erste Buchmesse. Und irgendwie hatten wir uns das Ganze ein wenig anders vorgestellt. Irgendwie kleiner, gemütlicher, wärmer und weniger reizüberflutend. Aber gut, ich habe ohnehin noch nie etwas gesehen, was so aussah wie in meiner Vorstellung. Von daher…
Etwas planlos streiften wir zunächst durch die Hallen, bis wir wenigstens ein klein wenig Orientierung vorweisen konnten. Nach einem Stop im Restaurant ging es weiter zu einem kurzen Date mit Sabine von Ant1heldin und Franzi von Lovely Mix. Ich bin eigentlich kein besonders großer Real-Life-Netzwerker (vorrangig weil mich das Zusammentreffen mit fremden Menschen ein wenig ängstigt) aber ich muss sagen, dass dieses sehr angenehm war. Wohl vor allem weil ich feststellen durfte, dass ich nicht der einzige Mensch mit einem lebensgroßen David Tennant Aufsteller im Zimmer bin. Eisbrecher gibt’s, die gibt’s gar nicht.

Danach gab es einen kleinen Abstecher zur Manga Comic Con. Dort wurden wir vor allem mit unserem Drang konfrontiert, trotz unseres Alters Kuscheltiere kaufen zu wollen. Die waren nämlich alle sehr weich, sehr niedlich und viele davon hatten auch noch die Form von Pokémon! Das ist wirklich nicht fair! Aber wir blieben stark – auch wenn eine kleine Schachtel Süßigkeiten mit Pikachu-Motiv dann doch mitkommen musste. Einmal Pokémontrainer, immer Pokémontrainer.

Anschließend schlenderten wir weiter durch die „normalen“ Hallen, die weniger Cosplayer aber dafür mehr Bücher vorweisen konnten. Besonders die vielen, wunderschön illustrierten Kinderbücher eroberten unsere Herzen – auch wenn dafür ja eigentlich ebenfalls zu alt sind. Aber zum Glück habe ich eine Nichte, der ich ein Büchlein („Rotzhase und Schnarchnase – Möhrenklau im Bärenbau!“) mitringen konnte.
Wir stießen hier teilweise auf recht wundersame Titel wie „Mein Hund ist Rassist“ und „Die hässlichen Fünf“. Die Kinderliteratur scheint einen ziemlichen Sprung gemacht zu haben, seit ich ein Kind war. Cool!
Aber auch bei den Erwachsenen gab es einiges zu sehen. Der Reclam-Stand lockte mit der gewohnten Farbenpracht, das Museum für Druckkunst mit schönen Einblicken in die Arbeit und wundersame Plakate erzählten von Harry Hanf und der Revolte der Pflanzen.


Bei unserem Besuch in der Messebuchhandlung verkündete eine Durchsage dann auch schon, dass die Messe nun schließen würde und wir mussten wieder hinaus in die ungemütliche Wetterlandschaft. Auf dem Weg zum Auto bekamen wir das Buch „36 Argumente für Gott“ in die Hand gedrückt und beobachteten gleich darauf, wie einige Messe-Besucher das Werk dafür nutzten, ihre Scheiben freizukratzen. Gott wollte es offenbar so!
Schön anzusehen war hier auch das Aufeinanderprallen von realer Welt und der bunten Messe-Blase. Ihr wüsstet wovon ich rede, wenn ihr ebenfalls einen Mann im Clownskostüm dabei beobachtet hättet, wir er sein Auto (oder: Clownsauto?) freischaufelte.

Vom Messegelände aus ging es für uns ins Hotel, das etwas weiter innerhalb der Stadt lag. Das hatte zwar die schmalste Einfahrt zu einer Tiefgarage, die uns je begegnet ist, war aber vor allem eins: schön warm – und das war zu diesem Zeitpunkt auf der Prioritätenliste ganz oben. Als die Glieder wieder aufgetaut waren, planten wir den Rest des Abends: Nett essen gehen und danach eine messeverwandte Buch-Veranstaltung.

Auf dem Weg zur S-Bahn durch den dichten Schnee mussten wir feststellen, dass Leipzig einfach viel schöner aussieht als Berlin und in der Bahn waren wir ob der mangelnden Verschmutzung des Gefährts und der Abwesenheit von, durch den Waggon rollenden, Bierflaschen einigermaßen verwirrt.
Fürs Abendessen wollten wir zunächst Auerbachs Keller anpeilen. Aber weil das wohl eines der bekanntesten Restaurants in Leipzig ist, Goethe schon mal da war, das Lokal in Faust vorkommt und die Stadt gerade voller Bücherwürmer war, malten wir uns keine großen Chancen aus, hier noch einen Tisch zu ergattern. Aber wir hatten Glück – und das ohne Pakt mit Mephistopheles. Das Essen war zünftig, das Bier gut und das Ambiente gemütlich – wir fühlten uns hier sehr wohl. Goethe hatte offenbar Geschmack.

Danach ging es zum Abendprogrammpunkt Read-O-Rama: Claudius, Claudius und der Wolf. Die Veranstaltung versprach „Literarisches Late Night“ zu sein. Autor Florian Wacker war eingeladen, über seinen neuen Roman „Stromland“ und sein Theaterstück „Wolferwartungsland“ zu sprechen.
Nun, ich will es kurz machen: Ich habe leider nicht erfahren, worum es in Florian Wackers Buch geht – darüber wurde nämlich aus irgendeinem Grund nicht gesprochen. Von den angesetzten zwei Stunden nahmen die Moderatoren, Claudius und Claudius, nur 35 Minuten für ihr „Interview“ in Anspruch. Wobei sie in mindestens 5 davon nur dasaßen und zu Pianountermalung Schokolade aßen und diese lustlos ins Publikum warfen. Weitere 5 Minuten gingen dafür drauf,  dass einer der Zuschauer mit dem Rest des Publikums „Die Werwölfe vom Düsterwald“ spielte. Das Ganze fühlte sich ein wenig wie dadaistische Kunstperformance an. Und wir fanden es doch recht vermessen, dass dem Publikum dafür 8 EUR pro Karte abgeknöpft wurde.
Auf dem Rückweg ins Hotel gerieten wir an einen sehr verwegenen Taxifahrer, der mit 70 Sachen über die vereisten Straßen bretterte, was uns sicherlich in Panik versetzt hätte, wenn wir nicht so mit der Frage beschäftigt gewesen wären, ob der Autor sich gerade eigentlich genau so verarscht vorgekommen ist, wie wir. Aber gut. So hat man wenigstens was fürs Poesiealbum der Erinnerungen. Weißt du noch, das eine Mal in Leipzig, als wir drei Männern beim Schokolade essen zugeguckt und dafür 8 EUR bezahlt haben?

Am nächsten Tag war nach einem netten Frühstück Stadtbesichtigung angesagt. Unsere Hoffnung, wir könnten vielleicht an Tag 2 den berühmten Leipziger Zoo besuchen, wurde vom Wetter weggeblasen. Es schneite, es war glatt und es wehte ein eisiger Wind. Nicht unbedingt bestes Zoo-Wetter also.
Dass ich meine Mütze vergessen hatte, führte nach kurzer Zeit außerdem dazu, dass ich in Tränen ausbrechen und mich in Embryonalstellung zusammenrollen wollte, da meine Ohren meine Vergesslichkeit ganz und gar nicht gut aufnahmen. Aber zum Glück fanden wir bei Karstadt, unserem Ritter in schimmernder Rüstung, eine neue Kopfbedeckung für mich und einen zweiten (ich erwähnte ja: es war kalt!) Schal für meine Freundin. Der Tag war gerettet. Hurra!
Wettergerecht eingepackt liefen ein wenig durch die Innenstadt und waren abermals beeindruckt davon, wie schön Leipzig doch ist, und wie viel schöner es vermutlich im Sommer wäre. Die Kälte trieb uns aber trotz Winterausstattung und wunderschöner Altstadt letztendlich doch nach drinnen und so besuchten das Museum der bildenden Künste. Schon allein die Architektur war hier beeindruckend und die Kunstwerke standen dem in nichts nach. Hier gab es riesige bis mittelgroße Installationen  und Gemälde zu bestaunen. Von Klassik bis Pop-Art – hier war für jeden etwas dabei. Das Museum ist zweifellos eines der schönsten, die ich je besucht habe.

Bevor wir danach den vereisten Heimweg antraten, gab es noch eine kleine Shopping-Tour. Mein Highlight war zweifellos das Antiquariat am Markt. Das Cover des Buches „Katzenkrimis“ hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und lotste uns in den Laden. Im Inneren sah er so aus, wie man sich einen Buchladen eben vorstellt aber selten findet – bis zur Decke gefüllt mit alten Büchern, die den entsprechenden Geruch verströmten. Großartig! Die „Katzenkrimis“ kamen mit nach Hause und ich bin mir sicher, dass die zwei Euro, die ich dafür gelöhnt habe, eine gute Investition waren. Das Cover ist einigermaßen unschlagbar.


Nach einem Abstecher zu einem Einrichtungsgeschäft in der Innenstadt – bei schlechtem Wetter ist es wohl nur allzu verständlich, dass man seinen Wohnraum so angenehm gestalten will, dass man ihn nie wieder verlassen muss – watschelten wir dann wie die Pinguine über das Eis zurück zum Auto und machten uns auf den Rückweg in die Hauptstadt. Aber nicht ohne zu beschließen: Leipzig, wir kommen wieder –  das nächste Mal ohne Schnee.

There are 17 comments

  1. Buchperlenblog

    Huhu Karo!
    Freut mich sehr, dass ihr euren Besuch hier so genießen konntet, trotz des missratenen Wetters! Nächstes Jahr scheint dann auch wieder die Sonne über der LBM 😄

    Liebe durchgefrorere Grüße!
    Gabriela

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    1. Karo

      Das hoffe ich auch 🙂 Nächstes Mal nehmen wir auf jeden Fall den Zoo noch mit. Aber bei dem Wetter wären die Tiere bestimmt am Boden festgefroren gewesen. Mittlerweile sonnige Grüße! Karo

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  2. Nicci Trallafitti

    Hey!
    Das ist ein wirklich toller Bericht.
    Im Gegensatz zu dir habe ich NICHTS gesehen außer die LBM 😀
    Wir waren immer so platt, dass wir die Zeit abends im Hostel verbracht haben, bloggend, quatschend und essend. 🙂

    Liebe Grüße,
    Nicci

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    1. Karo

      Danke Nicci 🙂 Wir hatten uns schon gefragt gehabt, wieso in der Stadt zur Messezeit wenig Leute unterwegs sind. Und meine Theorie war, dass die ganzen wunderbaren Bücherwürmer platt vom Messetag sind 😀 Da lag ich wohl nicht ganz falsch. Ich hoffe, ihr hatte eine tolle LBM-Zeit 🙂

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  3. Miss Booleana

    Falls du Lust hast, kannst du ja nächstes Mal Bescheid sagen, wenn du zur LBM da bist. Gehe eigentlich jedes Jahr freitags und ggf auch samstags, wenn es sich einrichten lässt. Und ich schwöre ich bin auch ganz lieb um die soziale Phobie nicht zu verschlimmbessern 😉
    Bei Auerbachs Keller gibt es auch ein paar Meter weiter eine coole Kneipe namens Mephisto, die ganz nach eben jenem gestaltet ist. Und immer zur vollen Stunde gibt es eine witzige Überraschung. Ist allerdings ein Raucher-Lokale aber einer bestimmten Uhrzeit.

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    1. Karo

      Au ja, das machen wir! Ich geb auf jeden Fall Bescheid wenn ich wieder auf die Messe gehe 🙂
      Mephisto klingt auch super 🙂 Ich merke, ich habe noch längst nicht genug von Leipzig gesehen!

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