Kurz und knapp: Lesemonat Mai (…und April)

Es ist nicht so, dass ich besonders stolz darauf wäre, aber ich muss gestehen, dass ich in den vergangenen zwei Monaten nicht besonders viel gelesen habe. Deshalb gab es im April auch keinen Monatsrückblick –  für zwei Bücher lohnt sich das wahrlich nicht.
Aber nun ja, ihr wisst ja wie das ist: Der Frühling kam und wurde plötzlich gleich zum Sommer und ich war der Jahreszeit entsprechend viel häufiger mit Freunden an der frischen Luft. Außerdem bin ich 30 geworden und das musste ausgiebig gefeiert werden. Und im Urlaub war ich auch. Ihr versteht schon – dieses Leben kam dem Lesen in die Quere. Nicht, dass ich es ihm übel nehme. Im Gegenteil, ich bin grad sehr zufrieden. Aber ein kleines bisschen habe ich das Lesen dann doch vermisst… und das Bloggen natürlich auch. Daher gibt es jetzt trotz mangelnder Vielfalt einen Leserückblick für den Mai – und den nachgelieferten für den April. Beide Monate zusammen bringen es immernoch nur auf fünf Bücher – aber auch die sollen natürlich nicht vernachlässigt werden. Zumal einige sehr interessante Leseerfahrungen dabei waren.

aprilmai

THE NOISE OF TIME (Der Lärm der Zeit)
Julian Barnes

Im Mittelpunkt dieses Buchs steht das Verhältnis von politischer Macht und Kunst. Wir begleiten darin den Komponisten Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch, über dessen Leben und Wirken stets das Messer der Partei schwebt.
Welche Opfer ist er bereit zu bringen, um seine Kunst weiter ausleben zu dürfen? Welche Kollegen wird er verraten? Welche Lügen wird er unterschreiben? Welche Hymnen wird er auf einen Staat komponieren, der seine Kunst beschneidet?
Es ist eine merkwürdige Angelegenheit. Hier stimmt im Grunde alles, aber das Buch konnte mich trotzdem nicht so recht begeistern. Thema, Schreibstil, Erzählweise und Protagonist überzeugen durchaus, aber trotzdem hinterlässt das Buch keinen bleibenden Eindruck. Ich habe es gern gelesen, wenn ich es gerade gelesen habe, aber sobald ich es beiseite legte, war es sofort aus den Gedanken verschwunden. Vom Lärm der Zeit hebt sich dieses Buch für mich leider nicht wirklich ab – auch wenn das Potential dagewesen wäre.


ON THE EDGE (Am Abgrund)
Edward St Aubyn

Das Ende der Patrick Melrose Reihe von Edward St Aubyn habe ich nicht besonders gut verkraftet. Nicht, weil ich inhaltlich nicht abschließen konnte, sondern weil ich nun nicht mehr St Aubyns herrliche Schreibe genießen konnte, in die ich mich im Laufe der fünfteiligen Reihe immer mehr verliebt hatte. (Ein Review findet ihr hier.) Ich wollte unbedingt wieder etwas lesen, das so schön geschrieben war wie diese Bücher. Daher ging ich mit dem vagen Gedanken in den Buchladen, etwas zu kaufen, das mit genauso viel sprachlicher Finesse glänzt. Als ich dann tatsächlich im Buchladen vor dem entsprechenden Regal angekommen war, kam ich mir relativ dumm vor: Warum sollte ich etwas lesen, das „wie St Aubyn“ ist, wenn ich auch etwas lesen könnte, dass direkt aus besagter Feder stammt?
Es war also definitiv nicht die Story, die mich zum Kauf von On The Edge bewogen hat, es war der Autor. Und es war auch nicht die Story, die mich am Ball gehalten hat, sondern die schönen Worte, mit denen sie erzählt wird.
On the Edge stellt uns eine Reihe von Menschen aus dem Kreis der New Age Bewegung vor, die schlussendlich alle gemeinsam an einem tantrischen Sex-Workshop teilnehmen…
Wie auch bei den Patrick Melrose Büchern sind die Figuren sehr schön gezeichnet und die Geschichte lebt von den verschiedenen Perspektiven, aus denen sie erzählt wird. Herrlich zu sehen, wie Eigen- und Fremdwahrnehmung der Figuren auseinanderklaffen, fantastisch zu erfahren, was in Menschen schlummert, die doch nach Außen hin etwas ganz anderes verkörpern.
Anfangs eindeutig Satire, verliert das Buch auf den Sexworkshop zusteuernd den Faden (was vielleicht so gewollt ist – ich weiß es nicht) und ich war nicht mehr sicher, was der Autor mir mit diesem Buch eigentlich sagen wollte. Aber das hat mich merkwürdigerweise überhaupt nicht gestört. Denn ich habe es einfach zu sehr genossen, dieses Buch zu lesen – einzig und allein deshalb, weil Edward St Aubyn so großartig mit der englischen Sprache umgehen kann. Der Stil ist messerscharf und gleichzeitig extrem melodisch. Vermutlich würde ich alles lesen, was der Mann mir vorsetzt, selbst wenn es sich um ein Rezept für Omas guten Rührkuchen handelt…

THE AMBER SPYGLASS (Das Bernstein Teleskop) – His Dark Materials #3
Philip Pullman

Wie ich hier an der einen oder anderen Stelle schon erwähnt habe, war ich bisher ziemlich begeistert von der His Dark Materials Reihe von Philip Pullman.
Wie so oft ist aber auch hier der dritte Teil der Trilogie der schwächste. Er ließ mich eine Spur enttäuscht zurück.
Zwar war ich noch immer begeistert und fasziniert von der Welt (oder besser: den Welten) die Pullman hier erschaffen hat, aber ich hatte insgesamt von der Handlung etwas mehr erwartet. Hier und da hatte ich das Gefühl, dass es sich der Autor ein wenig zu einfach macht. Zum Beispiel dadurch, dass bestimmte Personen plötzlich Dinge wissen, die sie nicht wissen können, oder plötzlich wie aus dem nichts auftauchen, um den Tag zu retten oder dadurch, dass einige Handlungsstränge ins Leere laufen… Allerdings kann Pullman so schön und einfühlsam erzählen, dass man beinahe darüber hinwegsehen könnte. Aber eben nur beinahe.

COMMISSAIRE LE FLOCH UND DAS GEHEIMNIS DER WEISSMÄNTEL
Jean-Francois Parot

Der erste Fall des jungen Ermittlers Nicolas Le Floch war recht ungewohntes Terrain für mich, weil ich mich krimitechnisch normalerweise eher auf den britischen Inseln bewege, statt in Frankreich. Aber Le Floch konnte mich durchaus überzeugen, auch wenn der Kriminalfall an sich nicht übermäßig spektakulär ist. Hier stimmt vor allem das Drumherum. Ich berichtete.

HOLDING (Ein irischer Dorfpolizist)
Graham Norton

Dieses Buch hatte ich im Buchladen bestimmt schon 10 mal in der Hand und trotzdem nie gekauft. Unter anderem weil ich dachte: „Das ist bestimmt nicht DER Graham Norton, der auch diese lustige Chatshow macht“. Ich weiß nicht warum, aber es war dieser Gedanke, der mich das Buch immer wieder zurück ins Regal stellen ließ (bescheuert, ich weiß…) Aber beim letzten Besuch in der Buchhandlung meines Vertrauens lag Holding nun plötzlich im Empfehlungsregal aus – und das hat mich eigentlich noch nie enttäuscht. Daher schlug ich es dann auch mal auf, anstatt nur den Text auf dem Umschlag zu lesen, und erfuhr prompt, dass es tatsächlich DER Graham Norton ist, der dieses Buch verfasst hat… Und SCHWUPPS lag es im Einkorfskorb.
Vom Glamour seiner Chatshow spürt man in Holding allerdings wenig: Die Geschichte spielt in einem verschlafenen Örtchen in Irland. In ihrem Kern ist sie ein recht klassischer Whodunit: Es ist ein Mord geschehen, den es aufzuklären gilt. Aber Norton widmet sich mit viel Gefühl, Witz und Scharfsinn seinen Charakteren, deren Tiefe in einem Whodunit nur allzu oft verloren geht. Dem Roman gelingt daher das, was vielen anderen Krimis misslingt: Er hat mich berührt. Allerdings war der Kriminalfall dafür nicht besonders verzwickt – ich war schon recht früh auf den Täter gekommen. Aber gut, man kann eben nicht alles haben. Wegen den liebevoll ausgearbeiteten Figuren und des lebendigen, mal witzigen, mal einfühlsamen Schreibstils, war der erste Gedanke nach der letzten Seite trotzdem: Ich hoffe, Graham Norton schreibt bald noch einen Krimi!


So, das war’s von mir. Wie geht es euch – herrscht bei euch auch wetterbedingte Leseflaute?

There are 9 comments

  1. ninakol.

    Guten Morgen, mir ist es ähnlich gegangen. Zu viel Frühling, äh, Sommer. Hab die Bücher oft mit raus genommen… Aber dann irgendwie immer nur kurz gelesen. Tja. Aber wir bleiben dran.
    Liebe Grüße
    Nina

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    1. Karo

      Hi Daniela, ich fand auch dass The Noise of Time super vielversprechend klingt. Aber für mich hat es dann irgendwie nicht gepasst. Aber vielleicht ist es bei dir anders – Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden 🙂 Liebe Grüße!

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  2. Melanie

    „Das Bernstein-Teleskop“ hat mich leider auch etwas enttäuscht zurückgelassen. Es war zwar ein guter Abschluss der Trilogie, stellenweise war es aber doch recht langweilig und manche Situationen schon recht unlogisch. Muss jetzt aber noch die Vorgeschichte zum goldenen Kompass lesen, kennst du die schon? Liebe Grüße!

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    1. Karo

      Hey Melanie, ich war super gespannt auf die Vorgeschichte. Da das dritte Buch mich nicht so besonders überzeugt hat, ist die Motivation allerdings wieder etwas abgeflacht. Aber bestimmt kommt sie bald wieder – Phillip Pullman ist schließlich ein wunderbarer Geschichtenerzähler 🙂

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  3. Sabine von "Ant1heldin"

    Hi Karo und Melanie,
    ich sehe eure Kritikpunkte mit den Logikfehlern, konnte aber irgendwie besser darüber hinwegsehen. Vielleicht lag es daran, dass ich es als Hörbuch angehört hab und es dadurch noch mitreißender für mich war?
    Bei mir überwogen diese positiven Punkte (was den Plot betrifft – dass Pullmann fantastisch schreibt, ist eh klar):
    Mrs Coulter ist die Frau der Stunde – so toll, wie sie sich der Männerwelt widersetzt. Ihr Ende ist zwar heroisch-pathetisch, fand ich aber trotzdem passend.
    Die Reise ins Land der Toten! So spannend!
    Außerdem hatte ich einen Herr der Ringe-mäßigen Showdown mit riesiger Schlacht im Himmel erwartet. Das kam aber nicht, nur in abgeschwächter Form. Der tatsächliche Showdown war etwas ganz anderes, was ich hier nicht erwähnen will, um anderen nicht den Spaß zu verderben 😉 Hat mich positiv überrascht.
    Dann dieser skurrile, abstruse Handlungsstrang mit Mary! Fand ich zuerst gewöhnungsbedürftig, und dann richtig gut – das muss man sich erstmal einfallen lassen bzw den Mut haben, das bei einem Jugendbuch einzubauen!
    Mein Kritikpunkt war eher, dass sich Lyra ein paar Mal total vor Will herabwürdigt, nach dem Motto „du bist so mutig und ich bin nur das schwache Mädchen.“ Nach allem, was sie in Teil 1 geschafft hat? In dem Zusammenhang wird Will z. T. auch arg zum moralisch überlegenen Helden stilisiert.
    Was meint ihr?
    LG, Sabine

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    1. Karo

      Hey Sabine, interessante Punkte, die du da ansprichst.
      Ich lasse mich von Hörbüchern auch immer ein bisschen mehr mitreißen. Und ich will ja auch nicht behaupten, dass mir das Buch gar nicht gefallen hätte. Einige Ideen Pullmans sind echt Wahnsinn – der Mary Handlungsstrang hat mich zum Beispiel total begeistert!
      Miss Coulter hat mir auch sehr gefallen – eine wunderbar starke Frauenfigur! Ich würde mir mehr Charaktere von diesem Kaliber wünschen 🙂 Aaaber leider gibt es die nur sehr sehr sehr selten.
      Deine Eindrücke zur Lyra und Will Thematik teile ich übrigens auch. Ich dachte ab und zu mal: Mensch Lyra, nun mach dich mal selbst nicht so klein! Es war auch ein wenig schade, dass Lyra generell so ins Hintertreffen gerät. Ich fand sie so klasse in Band 1 – ein echtes Energiebündel, so mutig, so stark, so smart – aber hier gibt sie diesen Status irgendwie ab. Es wird eher Wills Geschichte als ihre und das fand ich wirklich schade.

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