Zum Welttag des Buches: It’s a Kind of Magic!

Es ist bestimmt dick und fett bei euch im Kalender markiert: Heute ist Welttag des Buches. Ein Feiertag für das Lesen, Bücher und die Rechte von Autoren. Das ist in der Tat etwas, das es zu feiern gilt.
Ich werde zu solchen Anlässen immer ein wenig sentimental. Darum möchte ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ein paar Worte zu diesen Wundern, die wir Bücher nennen, zu verlieren. Wir sollten sie nicht nur heute feiern, sondern an jedem einzelnen Tag.

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Für mich gibt es keine größere Freude als eine gute Geschichte.
Geschichten spenden Kraft, sie machen Mut, sie lassen uns die Welt mit anderen Augen sehen, wir können aus ihnen lernen und manchmal unterhalten sie uns auch einfach nur. Auch wenn Bücher nicht die einzige Möglichkeit sind, gute Geschichten zu erzählen, erlebe ich Geschichten durch sie doch am liebsten. Es ist eine ganz eigene Art Magie, die Bücher von allen anderen Gattungen des Storytellings unterscheidet, sie einzigartig macht. Geschichten zu lesen, bedeutet, sie ganz ohne äußere Vorgaben zu erkunden. Es gibt keine Schauspieler, die uns zeigen, wie eine Figur aussieht, keine Sprecher, die uns vorgeben, wie sie klingt, kein Szenenbild, das uns das Universum zeigt, in dem die Geschichte spielt. Wir haben „nur“ geschriebene Worte, für die unser Gehirn Bilder und Klänge entwirft. Schon allein, dass es dazu in der Lage ist, ist ein kleines Wunderwerk der Natur.

Bücher sind in vielerlei Hinsicht wie Doctor Whos TARDIS. Mit ihnen können wir zum Beispiel durch Zeit und Raum reisen, wie es uns beliebt. Wohin soll es heute gehen? Zukunft oder Vergangenheit? Nach London oder doch lieber gleich in ein anderes Sonnensystem? Die Möglichkeiten sind unendlich. Aber Bücher haben auch noch eine andere Gemeinsamkeit mit der TARDIS: Sie sind „bigger on the inside“. Meist nicht größer als ein Blatt Papier im A5 Format, enthalten doch eine ganze Welt, ein ganzes Universum.
Öffnet man eines dieser kleinen Wunder, kann man diese Welt betreten. Eine Welt, die allein durch Vorstellungskraft von Autoren und Autorinnen geschaffen wurde und nun mit unserer eigenen Fantasie in unseren Köpfen Gestalt annimmt und erkundet werden kann. Das kann eine Welt sein, die so unglaublich anders ist als die, in der wir leben und doch ist es unsere eigene, weil sie in unseren Köpfen erschaffen wurde. Lesen ist daher eigentlich immer ein extrem persönliches Erlebnis. Geleitet von den Worten der Autorinnen oder der Autoren entwirft unser Hirn die Bilder zu der Geschichte, die wir gerade lesen – und jedes macht das anders. Zwei Menschen können dasselbe Buch lesen – sie können sich auch darüber austauschen, sich gegenseitig versichern, wie sehr sie es lieben oder hassen – aber sie haben nicht dieselben Dinge gesehen. In dieser Form, wie wir die Geschichte lesen und erleben, existiert sie nur ein einziges Mal.

Gerade weil sich das Erleben von Büchern nur in unseren Köpfen abspielt und die Bilder in diesem Safe-Space entstehen, bieten Bücher etwas sehr Wichtiges: Zuflucht. Besonders in Zeiten, in denen unser Körper an einer Stelle ausharren muss, obwohl wir eigentlich lieber woanders wären. Aufgrund dieser beeindruckenden Eigenschaft der Bücher ist Realitätsflucht etwas, das dem geneigten Bücherwurm häufiger vorgeworfen wird. Natürlich ermöglichen Bücher genau das – aber es ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Manchmal muss man der Realität einfach kurz entfliehen, um sie danach besser zu meistern. Es gibt Zeiten, in denen ich zum Beispiel rufen will: Haltet den Mund, alle von euch – und lasst mich in Ruhe! Ich will hier nichts mehr sehen und nichts mehr hören. Ich will nicht einfach nur nach Hause und die Tür zuschließen, sondern ich möchte woanders sein – irgendwo weit, weit weg. Dank der Bücher kann ich genau das tun, ohne meinen Job hinzuschmeißen, alle Kontakte aus meinem Handy zu löschen, in ein Flugzeug zu steigen und durchzubrennen. Ich kann ein Buch aufschlagen und bin in Mittelerde, Hogwarts, Asgard, 221b Baker Street – wo immer ich will. Für ein paar Minuten oder Stunden kann ich mich in diesen Welten verlieren – und dann kann ich gestärkt in die reale Welt zurückkehren. Lesen ist eine Art der Meditation.

In einem guten Buch kann man sich verlieren, man kann sich aber auch darin finden. Manchmal – wenn man Glück hat und auf ein Buch gestoßen ist, das es ermöglicht – nimmt man von seiner Lesereise nämlich noch ein paar Kleinigkeiten mit. Bücher führen uns manchmal näher an die Realität, als man glauben möchte – selbst wenn sie in anderen Sonnensystemen spielen. Sie können zum Beispiel dafür sorgen, dass wir uns (vielleicht zum ersten Mal) verstanden fühlen, weil wir uns in ihnen wiederfinden. Sie können uns aber auch die Augen öffnen und die Welt anders sehen lassen. Das können nicht nur Sachbücher, die uns die Welt mit ihren Wundern erklären, sondern auch Romane, die die Probleme in einem anderen, manchmal vielleicht sogar außerirdischen, Kontext erörtern. Bücher zeigen uns eine Welt, die wir nicht kennen, die uns fremd ist, die wir dort aber lernen, zu verstehen. Sie können uns daher zu empathischeren, sanfteren, verständnisvolleren Menschen machen – sie haben sogar die Kraft, unsere Ansichten und unseren Glauben in Frage stellen.
Unser Gehirn verarbeitet Erfahrungen aus Büchern ganz ähnlich derer, die wir selbst machen. Wir sind in der Lage, aus Geschichten zu lernen. Daher können Erfahrungen und Erlebnisse aus Büchern unsere eigenen Entscheidungen und unseren Umgang mit anderen beeinflussen. Der nur allzu gerne gebrauchte Satz: „Dieses Buch hat mein Leben verändert!“, er kommt nicht von ungefähr.

Bücher spenden uns Wissen und Wärme – und wenn das kein Grund ist, sie zu feiern, dann bin ich mit meinem Latein am Ende. In diesem Sinne: Einen schönen Welttag des Buches! Danke an alle, die Bücher schreiben, lektorieren, verlegen, verkaufen und lesen!

There are 14 comments

  1. kleinewelle

    Hallo Karo,
    wenn das nicht mal eine Liebeserklärung an die Bücher ist! Und dann auch noch eine soooooo schöne!
    Du hast einfach genau die richtigen Worte gefunden. Ein ganz wundervoller Beitrag! Danke. 🙂
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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      1. kleinewelle

        Naja, um ehrlich zu sein nicht so, denn mein Krümel war krank und so habe ich den Tag mit ihm zu Hause verbracht.
        Gab also kein neues Buch. :/

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  2. Wörter auf Reise

    Ein wunderschöner Text über die Liebe zum geschriebenen Wort! Bücher sind einfach eine tolle Sache und egal wie blöd das auch immer klingen mag, ich hätte keine Ahnung gehabt wie ich ohne sie meine Schulzeit überstanden hätte. Durch Bücher war es möglich der Realität für einen kurzen Moment den Rücken zuzukehren und sich in ein Abenteuer zu stürzen. Dennoch wie du auch geschrieben hast, sind Bücher so viel mehr als die Flucht vor der Realität, Bücher können einem Dinge näher bringen, die einen zuvor fremd waren, Bücher können die Gesellschaft kritisieren und ihnen den Spiegel vorsetzen. Ich lese zurzeit 1984 und bin an vielen Stellen schockiert von der geschaffenen Welt und wie aktuell das Werk immer noch ist.

    Alles Liebe

    Nadine

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