Ein Mordfall, irgendwo auf den britischen Inseln, der Kreis der Verdächtigen umfasst mindestens einen Lord, Duke oder Sir und zeitlich bewegen wir uns meistens irgendwo zwischen 1880 und 1980 – so in etwa sehen die meisten Krimis in meinem Bücherregal aus. Was fiktive Verbrechen betrifft, bewege ich mich bevorzugt in den Kreisen des klassisch-britischen Whodunits – Agatha Christie lässt grüßen.
‚Aber warum nicht mal etwas anderes probieren?‘, dachte ich mir, als ich im Bloggerportal auf Jean-François Parots Kriminalroman Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel stieß. (An dieser Stelle vielen Dank an das Bloggerportal und den Blessing Verlag für das Rezensionsexemplar!)
Also auf nach Paris! Auf ins 18. Jahrhundert! Auf zur ersten Begegnung mit Nicolas Le Floch, dessen Abenteuer in Frankreich bereits ein riesiger Erfolg sind und nun auch endlich den deutschsprachigen Raum erobern dürfen.
Zugegeben, etwas ungewohnt war der Wechsel in die französische Metropole schon, wenn man sich sonst eher auf englischem Krimi-Terrain befindet. Aber da auch Nicolas Le Floch neu in der Stadt ist, wird einem der Einstieg leicht gemacht.
Der junge Mann ist aus der Bretagne in die Hauptstadt gereist, um hier eine Laufbahn bei der Polizei zu beginnen. Überraschenderweise wird der Ermittler, der noch mehr als grün hinter den Ohren ist, schnell mit einem großen Fall betraut. Ein richtig dicker Fisch, bei dem es nicht nur um Staatsgeheimnisse und heimtückischen Mord geht, sondern der ihn in alle Ecken von Paris führt: Von Bordellen und Spielhöllen über die Bastille bis hin zu königlichen Palästen.
Das Buch lebt vor allem von der wunderbar gezeichneten Atmosphäre und den Einblicken in das Leben der französischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Besonders schön ist dabei, dass sich der Roman nicht nur auf eine Schicht der Gesellschaft beschränkt, sondern einen Blick in alle Bereiche des Alltags zu dieser Zeit gewährt. Prostituierte, Diebe und Diener werden genauso beleuchtet wie gepuderte Perückenträger.
Das Bild des städtischen Lebens wirkt glaubhaft und gut recherchiert. Man fühlt sich tatsächlich in das Paris dieser Zeit versetzt. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Parot einige tatsächliche historische Personen in seinem Roman unterbringt.
Zieht man aber einmal die historische Kulisse und die Einblicke in die Gesellschaft zu dieser Zeit ab, bleibt bei dem Geheimnis der Weißmäntel ein recht durchschnittlicher Fall zurück, der weder besonders aufregend, noch übermäßig dröge oder vorhersehbar ist. Der Puls wird beim Lesen vermutlich nicht die 150er Marke knacken – dazu fehlte mir persönlich etwas Tempo – aber insgesamt ist die Handlung so solide, dass man wissen möchte, wie es weitergeht. Parot liefert uns hier einen klassischen Krimi, mit allem, was dazugehört. Gut platzierte Wendungen und Enthüllungen, um den Leser am Ball zu halten; ein ausgewählter Kreis von verdächtigen Personen, die allesamt Geheimnisse verbergen und einen sympathischen Ermittler, der das ganze zusammenhält: Nicolas Le Floch.
Hier und da habe ich gelesen, dass besagter Le Floch als der französische Sherlock Holmes gehandelt wird. Der Vergleich hinkt in meinen Augen etwas. Schon allein weil Sherlock Holmes im Grunde kein sonderlich angenehmer Zeitgenosse ist. Er ist zwar genial, aber auch eben nicht besonders nett. Um Holmes zu lieben, bedarf es Watsons Blickwinkel. Den jungen Le Floch hingegen schließt man sehr schnell aus eigenem Antrieb ins Herz. Ohnehin hat Le Floch einen solchen Vergleich gar nicht nötig – weder mit Sherlock Holmes noch mit sonst irgendwelchen Detektiven. Le Floch ist Le Floch – eine Marke für sich.
Spannend ist in diesem Buch vor allem, dass der junge Kommissar sich erst noch behaupten muss. Oft sind Ermittler in Krimis ja schon alte Hasen und haben sich bereits einen Ruf erarbeitet. Hier jedoch begleiten wir jemanden bei seinem allerersten Fall.
Le Floch macht dabei Fehler, die erfahrerennen Ermittlern vermutlich nicht unterlaufen würden. Aber der junge Bretone macht seine Unerfahrenheit mit seinem Eifer und dem Talent, das unzweifelhaft in ihm schlummert, wieder wett. Er ist smart, fleißig, einfühlsam, sensibel, aber durchsetzungsstark und mutig, wenn es darauf ankommt.
Seine Entwicklung auf dem Weg zur Lösung und nicht zuletzt zu mehr Selbstbewusstsein zu verfolgen, macht Spaß. Und man ist sich sehr schnell sehr sicher, dass der junge Mann es weit bringen wird. Dass man mit dieser Vermutung richtig liegt, beweist der riesige Erfolg der Reihe in Frankreich und die mittlerweile 13 erschienenen Bände, in denen uns Parot von Le Flochs Abenteuern erzählt.
Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel lohnt sich vor allem für jene Leser, die sich für das Leben im Frankreich des 18. Jahrhunderts interessieren. Sie werden hier auf einen gut recherchierten Einblick in das Leben dieser Zeit und authentische Atmosphäre treffen. Aber keine Sorge, für diejenigen, die sich, wie ich, für diese Epoche nicht übermäßig begeistern, bleibt immer noch ein solider Kriminalfall und ein sympathischer Ermittler übrig.
Infos zum Buch
Titel: Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel
Autor: Jean-François Parot
Übersetzung: Michael von Killisch-Horn
Verlag: Karl Blessing Verlag
Veröffentlichung: September 2017
ISBN: 978-3896675736
Seiten: 480
Hi! Neugierig bin ich jetzt auf alle Fälle.
Mit Holmes werden gefühlt die Hälfte aller Detektive. Den Namen kennt man halt.
Übrigens, kennst Du von Boris Akunin „Fandorin“? Der könnte Dir auch gefallen. Russische Krimis, die um 1900 spielen und nicht in ein bestimmtes Schema F passen. Und Fandorin genau so wenig😊
Liebe Grüße
Nina
PS
Danke noch Mal für den Tipp des *Schurken Buches*, unterhaltsam
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Hi Nina, oh, danke für den Tipp – das klingt sehr interessant. Werd ich mir gleich mal genauer ansehen 🙂
Ja, den Vergleich mit Holmes kriegt wohl jeder Detektiv zwangsläufig irgendwann aufgedrückt… Aber vermutlich tatsächlich deswegen weil Holmes nun mal der eine Detektiv ist, den jeder kennt. Viele Grüße
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Das klingt gar nicht mal zu so schlecht. Hatte das Buch schon als Werbekampagne und eben „franz. Sherlock“ aus meinem Blickwinkel verbannt. Aber vllt sollte ich doch mal einen Blick wagen 😀
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Reinschnuppern schadet auf jeden Fall nicht 🙂 Mit Sherlock hat Le Floch eigentlich außer dem Beruf so gar nichts gemein 😁
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Hallöchen,
tja, sind wir uns mal ehrlich – es kann nur einen Sherlock geben *g* Dieser Krimi klingt auch ohne der Sherlock-Attitüde des Protagonisten toll und ich schätze es wandert sogleich auf meine WL.
Vielen, lieben Dank für die tolle Rezension, die mich auch mal nach einem französischen Krimi greifen lässt.
Liebe Grüße aus Wien
Conny
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Hallo Conny, freut mich total dass ich deine Leseliste erweitern konnte 🙂 🙂 🙂
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