[GELESEN] Dust and Shadow – Holmes jagt Jack The Ripper

wp-1489951762183.jpgVor ein paar Jahren habe ich mal eine Dokumentation über Jack The Ripper gesehen und war danach so verstört, dass ich einige Nächte lang nur mit eingeschalteter Nachttischlampe einschlafen konnte.
Nicht verwunderlich also, dass ich für gewöhnlich einen großen Bogen um Geschichten über die Whitechapel Morde mache.
Aber warum lese dann jetzt von den unzähligen Sherlock Holmes Pastiches ausgerechnet einen der genau diese Mordserie thematisiert?
Nun, zum einen weil Dust and Shadow: An Account of the Ripper Killings by Dr. John H. Watson von Lyndsay Faye recht gute Bewertungen erhalten hat und ich eine Schwäche für gute Pastiches habe und zum anderen weil ich dachte, dass ich mich mit einer Figur wie Holmes an meiner Seite recht sicher fühlen könnte. Es gibt ja so Charaktere die einem, weil man schon so viel Zeit mit ihnen verbracht hat, ein Zuhause-Gefühl oder eben eine gewisse Sicherheit vermitteln – und Holmes ist für mich definitiv einer davon. Außerdem schafft er es für gewöhnlich, Fälle zu lösen, an denen andere scheitern. Die Chancen auf ein Happy End (wenn man in Anbetracht dieses schrecklichen Falls überhaupt davon sprechen kann) standen also gut.

Ob es Holmes aber tatsächlich gelingt, den Mörder ausfindig zu machen und den Fall aufzuklären, an dem sich Ermittler, Kriminologen und Historiker bis heute die Zähne ausbeißen, werde ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, dass uns Lyndsay Faye mit diesem Buch einen wunderbaren Sherlock Holmes Pastiche beschert hat.
Nicht nur weil ich den Eindruck hatte, dass Settings und Tathergänge sehr gut recherchiert waren, sondern vor allem weil sie Holmes und Watson so originalgetreu und glaubwürdig einfängt.
Man mag sich vielleicht vorstellen, dass beide, Holmes ebenso wie Dr. Watson, bei einem Fall wie diesem an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen geraten. Glücklicherweise tut das aber der Freundschaft der beiden keinen Abbruch – wenn überhaupt erscheint sie hier stärker als zuvor. Insbesondere Watson beeindruckt in dieser schwierigen Situation mit der, ihm eigenen, Standhaftigkeit und ungebrochenen Loyalität – die auch dann nicht ins Wanken gerät, als Holmes selbst im Verdacht steht, Jack The Ripper zu sein und sich Medien und Bevölkerung gegen ihn wenden.
Und Holmes? Tja, Holmes ist eben Holmes – scharfsinnig, unerschrocken, unkonventionell, etwas geheimniskrämerisch und stets um das Wohlergehen seines Freundes besorgt – eben genau so wie wir ihn kennen und lieben.

Neben Watson stehen dem Meisterdetektiv hier übrigens auch noch andere alte Bekannte, wie Scotland Yard Detective Lestrade (der natürlich nicht imstande ist den Fall zu lösen), zur Seite.
Gleichzeitig sorgt Lyndsay Faye aber mit neuen Charakteren für etwas frischen Wind. Mein Favorit ist zweifellos Miss Mary Ann Monk. Eine clevere, starke, junge Dame, mit Hang zum Alkoholismus, die Holmes mit ihrer schnellen Auffassungsgabe und einem verborgenen Detektiv-Talent bei seinen Ermittlungen in Whitechapel unterstützt und die obendrein die illustre Männerrunde gehörig aufmischt.

Doyles Schreibstil imitiert Lyndsay Faye dabei durchgehend so gut, dass ich es beinahe glauben würde, wenn mir jemand erzählen würde, dass die Geschichte Doyles Feder entsprungen ist.
Ich sage ‚beinahe‘ weil die Ripper-Morde bekanntlich im Herbst 1888 begannen, und Watsons Frau, Mary, zu dieser Zeit schon in sein Leben getreten war. The Sign of The Four, die Geschichte in der sich die beiden kennenlernen und auch direkt verloben, spielt im Sommer 1887 oder 1888 – je nachdem welchem Holmes-Chronologen man glauben schenken möchte. Deshalb würde ich eigentlich davon ausgehen, dass Watson seine Verlobte oder Ehefrau zumindest mal erwähnen und nicht so ohne weiteres mit seinem Kumpel einen psychopathischen Mörder jagen würde.  Aber gut – außer Klugscheißern wie mir fällt das niemandem auf und der guten Story tut es ohnehin keinen Abbruch. Dust and Shadow: An Account of the Ripper Killings by Dr. John H. Watson ist ein sehr gelungener Sherlock Holmes Pastiche und dürfte darüber hinaus sogar Nicht-Sherlockianern gut gefallen – einfach weil es ein sehr guter Krimi ist.

P.S. Wusstet ihr eigentlich, dass Sir Arthur Conan Doyle, neben unzähligen anderen, selbst im Verdacht stand, Jack The Ripper zu sein? Unter anderem wohl, weil er, als Arzt über das nötige Equipment und die anatomischen Kenntnisse verfügt, die man dem Ripper zuschreibt. Es gibt sogar Bücher dazu, zum Beispiel“Arthur Conan Doyle war Jack the Ripper“ von Jan Gaspard…


Infos zum Buch

Titel: Dust and Shadow: An Account of the Ripper Killings by Dr. John H. Watson
Autor: Lyndsay Faye
Verlag: Simon & Schuster
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN:978-1416583318
Seiten: 336
Deutscher Titel: bisher nicht erschienen

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