[GELESEN] Sir Arthur Conan Doyle: The Lost World

Der Roman The Lost World hatte mich im Buchladen zunächst durch sein stylisches Cover angezogen. Wer, wie ich, Dinosaurier mag, schaut bei allem was grün ist und scharfe Zähne hat, zweimal hin. Ich guckte allerdings nicht schlecht aus der Wäsche als mein Blick auf den Autor des Büchleins fiel: Sir Arthur Conan Doyle – der Mann, der auch meinen Lieblingsdetektiv erschaffen hat! Zwar wusste ich, dass Arthur Conan Doyle neben den Sherlock Holmes Geschichten weitere Romane verfasst hat, aber von The Lost World hatte ich noch nie etwas gehört. Umso verblüffter war ich, als ich auf der Rückseite las, dass diese Geschichte als Inspiration für Jurassic Park diente. Whaaaat?

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Zufälle gibt’s…

Natürlich kann man bei einem Buch aus dem Jahre 1912 nicht erwarten, dass jemand darin – wie in Jurassic Park – Dinosaurier klont. Nein, hier konnten die Dinosaurier durch schnöde, geografische Isolation bis in die Gegenwart fortbestehen. Auf ihrem abgeschnittenen Bergplateau in Südamerika werden sie schließlich von einem Wissenschaftler namens Challenger entdeckt. Doch da es ihm nicht gelungen war, stichhaltige Beweise für seine Entdeckung vorzulegen, möchte ihm diese Geschichte niemand abnehmen. Deshalb initiiert der Professor eine zweite Forschungsmission, um Belege für die Existenz der Dinosaurier zu sammeln. Was folgt, ist eine Geschichte von tatkräftigen Männern, die auszogen, ein Abenteuer zu erleben. Tschakka!

Gut, es gibt hier also keine geklonten Dinosaurier. Aber die Parallelen zu Jurassic Park, insbesondere zum zweiten Teil, sind dennoch durchaus vorhanden. Michael Crichton hat für das zweite Buch seiner Jurassic Park Reihe (die Buchvorlage für die Spielberg-Filme) sogar den Titel eins zu eins von Conan Doyle übernommen. Davon abgesehen schätzt er selbst den Einfluss auf sein Werk aber eher gering ein. Also eben abgesehen vom Titel… und den Dinosauriern… und der Expedition… Überhaupt findet er Arthur Conan Doyles Buch auch insgesamt ziemlich blöd. Auf den gleichlautenden Titel seines Buches angesprochen sagte er:
« It’s a reference to Conan Doyle, one of his more pulpy stories. It’s a Professor Challenger story, and it’s actually not a very good book, but it’s a wonderful title, and it’s about an expedition to a place where there are dinosaurs. » *

So, so. Not a very good book. Na – ob sich Herr Crichton da mal nicht ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt hat?

Sicher, The Lost World ist nicht das beste Buch, das ich jemals gelesen habe, aber ich habe trotzdem ein paar nette Stunden mit dieser Geschichte verbracht.

Erzählt wird sie in Form von Berichten des Journalisten E.D. Malone, den seine Jagd nach einer großen Story zu Professor Challenger und seiner unglaublichen Behauptung, es gäbe noch Dinosaurier, führt.
Nun, falls man sich bereits an der Arroganz von Arthur Conan Doyles berühmtester Schöpfung, Sherlock Holmes, stört, sollte man lieber einen großen Bogen um The Lost World machen. Denn verglichen mit Professor Challenger wirkt Sherlock Holmes geradezu höflich und bescheiden. Der geniale Professor ist nicht nur besserwisserisch, gemein und herablassend – nein, er ist obendrein auch noch gewalttätig und fährt bei der kleinsten Erregung seines Gemüts aus der Haut. Tatsächlich versetzt er Mr. Malone bei ihrem ersten Zusammentreffen eine gehörige Tracht Prügel. Er ist also nicht der sympathischste Charakter – aber zweifellos ein unterhaltsamer.
Überraschenderweise erklärt sich Malone trotz der… nennen wir es mal… „Startschwierigkeiten“ bereit, an Challengers Expedition teilzunehmen und auf die Suche nach Dinosauriern zu gehen. Denn immerhin wird dabei sicherlich eine gute Story für den Journalisten rausspringen – sofern er die Expedition überlebt, versteht sich. Begleitet werden sie außerdem von Professor Summerlee, der im Grunde nur beweisen will, dass Challenger ein Lügner ist, und Lord John Roxton, einem Abenteurer mit Nerven aus Stahl. Ein illustres Gespann also, das für den einen oder anderen amüsanten Dialog sorgt.
Ich verrate sicherlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass die Abenteurer die vergessene Welt nach langer und beschwerlicher Reise tatsächlich finden. Dort treffen sie allerdings nicht nur auf furchteinflößende Dinosaurier, sondern auch auf Menschen und Affen-Menschen, die obendrein noch Krieg gegeneinander führen. Es ist also ganz schön was los im Dinoland.

Bis die Herren auf diesem Plateau ankommen, dauert es allerdings doch ein ganzen Weilchen. Gerade im Mittelteil schleppt sich die Handlung ein wenig zäh dahin. Die Längen kaschiert Conan Doyle aber sehr geschickt mit einem Händchen für Atmosphäre. Wenn die Männer über den Amazones schippern, fühlen Sie sich stets beobachtet – in den angrenzenden Wälder lauern Gefahren. In den Trommeln der einheimischen Völker hört Malone die stetige Drohung: „We will kill you–we will kill you if we can.“ Als Leser kann man die Trommelschläge regelrecht hören. Die Stimmung ist ausgesprochen düster, bedrohlich, gefährlich – es wird einem beinahe selbst ein bisschen mulmig zumute. Geschichten erzählen kann Mr. Conan Doyle – das steht außer Frage.

Aus heutiger Sicht gesehen würde man allerdings von einem Abenteuerroman vermutlich insgesamt etwas mehr Action erwarten. Aber diese Geschichte stammt eben nun einmal aus dem Jahr 1912. Natürlich gibt es hier auch die eine oder andere halsbrecherische Flucht vor fleischfressenden Dinosauriern und auch Schusswaffen kommen zum Einsatz, aber die Männer sind nicht permanent in Aufruhr. Es wird nicht ständig weggerannt, es wird nicht ständig jemand vermöbelt, es explodiert nicht ständig etwas. Immerhin sind zwei der Männer des Gespanns Biologen – und die wollen eben vor allem eins: die Natur erforschen. Mir persönlich war das sehr recht.

Insgesamt würde ich für The Lost World das Prädikat „Solide Unterhaltung“ ausstellen. Wer Lust auf einen klassischen Abenteuerroman mit Sci-Fi Einschlag hat und obendrein noch ein Dinosaurier-Freund ist, ist hier an der richtigen Adresse.

P.S. Den unausstehlichen, aber doch irgendwie faszinierenden, Professor Challenger hat Conan Doyle übrigens noch auf weitere Abenteuer geschickt. Insgesamt gibt es fünf Challenger-Geschichten. Ob ich mir die restlichen ebenfalls zu Gemüte führen werde, muss ich mir noch überlegen. Mein Holmes ist mir doch irgendwie lieber als dieser haarige Grobian.

* Quelle: The Arthur Conan Doyle Encyclopedia


Infos zum Buch

Titel: The Lost World
Autor: Sir Arthur Conan Doyle
Erstveröffentlichung: 1912
ISBN: 1509858490
Verlag: Pan Books (Paperback, 2017)
Seiten: 277
Deutscher Titel: Die Vergessene Welt

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