Happy ‚Birthday‘, Mr. Holmes

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Sherlock Holmes! Es gibt wohl kaum einen Menschen, der diesen Namen nicht kennt. Sir Arthur Conan Doyles große Schöpfung betrat 1887 in Beeton’s Christmas Annual die Bühne und ist noch immer – mehr als 130 Jahre später – lebendig wie damals.
Heute feiert der wohl berühmteste Detektiv der Welt Geburtstag. Seinen 167.* um genau zu sein. Für einen Normalsterblichen ein stattliches Alter, für „The Man Who Never Lived And Will Never Die“ hingegen ein Pappenstiel. Es hat eben doch so seine Vorzüge fiktiv zu sein.

Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass Fans und Freunde des Detektivs seinen Geburtstag genau heute feiern, wo doch Sir Arthur Conan Doyle uns den Geburtstag weder in den Kurzgeschichten noch in den Romanen verraten hat? Und woher wissen wir überhaupt, seinen wievielten Geburtstag Holmes heute begeht?
Setzt eure Deerstalker auf, stopft euch eine Pfeife und zückt die Lupen. Wir gehen auf Spurensuche! Denn genau das würde Holmes doch vermutlich an seinem Geburtstag am liebsten tun: ein Rätsel lösen.

“Data! Data! Data!“ he cried impatiently. „I can’t make bricks without clay.”

The Adventure of the Copper Beeches

(Ist ja gut, Holmes. Wir legen ja schon los.)

Beginnen wir mit dem einfacheren Part, dem Geburtsjahr: 1854.
In der Geschichte His Last Bow (Seine Abschiedsvorstellung) wird der gute Detektiv als „a tall, gaunt man of sixty“ beschrieben. Diese Geschichte spielt 1914, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wenn Holmes 1914 sechzig Jahre alt war, wurde er zweifellos 1854 geboren. Easy-peasy. Man könnte beinahe sagen: Elementary.

Der Tag ist hingegen ein größeres Mysterium und dass man sich auf den 06. Januar festgelegt hat, hat eher mit Mutmaßungen zu tun als mit Fakten – das würde Mr. Holmes sicher ganz und gar nicht gefallen.

Let us hear the suspicions. I will look after the proofs.

The Adventure of the Three Students

(Proofs? Nun, das wird schwierig.)

Ich will ganz ehrlich sein. Die Beweise sind nicht besonders stichhaltig. Um genau zu sein, sind es überhaupt keine Beweise, sondern bestenfalls Indizien. (Sorry, Holmes!)
Christopher Morley, Gründer der Baker Street Irregulars – der größten, ältesten, anerkanntesten und zweifellos berühmtesten Sherlock Holmes Gesellschaft – schlug dieses Datum 1933 in einem Artikel im US Magazin Saturday Review of Literature vor.
Vermutlich weil er das Datum einfach mochte, da sein Bruder, Felix, an diesem Tag ebenfalls Geburtstag hatte. (Zufälle gibt’s!) Außerdem – und jetzt kommt das Argument, bei dem sich Holmes die Nackenhaare aufstellen würden – hatte ein Astrologe gesagt, Holmes müsse vermutlich im Januar geboren sein. Oh my…
Aber gut, wer will es den Sherlockianern schon verübeln, dass sie feiern wollten? Man kann keinen Geburtstag ohne Geburtstag feiern – so viel steht ja wohl fest. Ein Datum musste her und Morley hat eins geliefert. Punkt.

Im nächsten Jahr organisierte Morley daher auch direkt am 06. Januar ein kleines Zusammentreffen der (späteren) Baker Street Irregulars, um den Geburtstag des Detektivs gebührend zu feiern. Das BSI-Weekend, das alljährliche Treffen der Gesellschaft, findet auch heute noch um dieses Datum herum statt – Morleys Vorschlag hat sich also offenbar durchgesetzt.

Einige Zeit nach seinem Datumsvorschlag unterlegte Morley seine These im Baker Street Journal zusätzlich mit einer etwas stichhaltigeren Begründung.
Ihm war aufgefallen, dass Holmes zweimal aus Shakespeares The Twelth Night zitiert. Und welches ist die zwölfte Weihnachtsnacht? Na? Richtig, die auf den 06. Januar!
Okay… Beweise sehen wirklich anders aus. Ich persönlich zitiere häufig aus Harry Potter – bedeutet das, dass ich ein Horkrux bin?

It is a capital mistake to theorize before one has data. Insensibly one begins to twist facts to suit theories, instead of theories to suit facts.

A Scandal in Bohemia

(Ich weiß, Holmes, ich weiß.)

Weitere Unterstützung erhielt die 06.-Januar-Hypothese 1957 jedoch von Nathan Bengis in einem weiteren Artikel im Baker Street Journal. Bengis führt darin an, dass Holmes zu Beginn des Romans The Valley of Fear (Das Tal der Angst), der am 07. Januar spielt, ziemlich schlecht gelaunt zu sein scheint. Die Geschichte startet folgendermaßen:

“I am inclined to think —“ said I.
„I should do so,“ Sherlock Holmes remarked, impatiently.
I believe that I am one of the most long-suffering of mortals, but I admit that I was annoyed at the sardonic interruption.
„Really, Holmes,“ said I severely, „you are a little trying at times.”

Warum der Detektiv so schlecht gelaunt war? Nun, Bengis vertritt die These, Mr. Holmes sei verkatert gewesen. Und warum war er verkatert? Natürlich weil er am Tag zuvor seinen Geburtstag gefeiert hat! Offensichtlich, nicht wahr?
Ich persönlich glaube zwar, der Detektiv hätte auch anderweitig Gründe gefunden, um mit dem guten Doktor ein, zwei, drei Gläser Wein zu trinken – zum Beispiel wenn er mal wieder Unheil von einem Klienten oder der Stadt oder dem Königreich oder dem Kontinent abgewendet hat – aber gut: Sagen wir mal, der Fall ist damit abgeschlossen. Denn wer will sich schon über einen so freudigen Anlass beschweren? Und da wir schon beim Alkohol sind, lasst uns lieber schnell auf einen unsterblichen Detektiv anstoßen. Happy ‚Birthday‘, Holmes!

“Here dwell together still two men of note
Who never lived and so can never die:
How very near they seem, yet how remote
That age before the world went all awry.
But still the game’s afoot for those with ears
Attuned to catch the distant view-halloo:
England is England yet, for all our fears–
Only those things the heart believes are true.

A yellow fog swirls past the window-pane
As night descends upon this fabled street:
A lonely hansom splashes through the rain,
The ghostly gas lamps fail at twenty feet.
Here, though the world explode, these two survive,
And it is always eighteen ninety-five.”

– 221b, Vincent Starrett


*Bevor jetzt einige Detektive an den Rechenkünsten der Redaktion (aka Karo) zweifeln: Der Artikel entstand zwar 2018, ich passe den Geburtstag aber nachträglich immer auf das aktuelle Jahr an.

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There are 10 comments

  1. Lilith

    Ha, na dann, Happy Birthday, Sherlock! Obwohl ich mir nicht so recht denken kann, dass er sowas begrüßen würde, also Geburtstagsgratulationen 🙂
    Wieder mal ein toller Blogentry (y)
    Wünsche Dir an dieser Stelle noch ein gesundes und glückliches Neues Jahr!

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    1. Karo

      Danke Dir! Ich wünsche Dir ebenfalls noch ein frohes und gesundes neues Jahr 🙂
      Dass Holmes nichts von Geburtstagsgratulationen hält, glaube ich auch. Sonst hätte Watson bestimmt mal was über Geburtstage in der Baker Street schreiben dürfen. 😂

      Gefällt 1 Person

  2. ninakol.

    Hi. Das mit der astrologischen Erklärung hätte höchstens dem gealterten Sir A. C. Doyle gefallen….schöner Artikel. Hab Dich heute erst entdeckt. Werde öfter vorbei schauen
    Schönes Wochenende
    Nina

    Gefällt 1 Person

    1. Karo

      Hihi, ja, das stimmt, dem guten ACD hätte das vermutlich gefallen 😁 Mich wundert es immer ein bisschen, dass der Mann, der Sherlock Holmes erschaffen hat, so spirituell veranlagt war…

      Schön, dass es dir hier gefällt. Vielen Dank fürs Mitlesen 🙂

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      1. ninakol.

        Tja! War aber auch in seiner Zeit sehr modern, trotzdem fragt man sich schon wie diese rationale Schöpfung und Spiritistik zusammen passen.

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