
Ist dies wirklich der richtige Zeitpunkt, um ein Buch über das Ende des Universums zu lesen? Jetzt, wo der Gedanke an das Ende der Menschheit so unangenehm nah an uns herangekrochen war? Welcome to the endtimes and all that shit. Es war Covid-Welle Nummer 2 oder 3 (wer zählte schon noch mit?) und ich stand in der Buchhandlung meines Vertrauens, hielt The End of Everything (Astrophysically Speaking) von Katie Mack in den Händen und wägte ab, ob ich das Buch kaufen sollte. Am Ende siegte die Neugier. Denn jetzt, wo das Stöbern in der Non-Fiction Abteilung die Frage aufgeworfen hatte, wollte ich sie auch beantwortet wissen: Wie wird unser Universum enden?
Wer von diesem Buch eine eindeutige Antwort erwartet, der wird vielleicht enttäuscht werden, denn wie bei vielen Fragen der Wissenschaft, gibt es auch auf diese Frage nicht die eine, richtige Antwort. Denn wir wissen zwar einiges über unser Universum, doch wir wissen noch viel mehr (noch) nicht. Daher liegt das Ende unseres Universums im besten Falle im Halbdunkel. Es gibt jedoch einige Ideen und Theorien, wie die universelle Apokalypse aussehen könnte. Astrophysikerin Katie Mack macht sich in diesem Buch auf, die unterschiedlichen Szenarien zu ergründen. Sie erklärt dabei, auf welchen Erkenntnissen Wissenschaftler*innen ihre Theorien gründen, welche Experimente durchgeführt wurden, um die Ideen mit Zahlen zu untermauern, was diese Zahlen konkret bedeuten und – natürlich – wie dieses spezifische Szenario aussehen wird. Das Ganze allerdings so, dass auch Laien, wie ich, es verstehen können. Wobei ich zugeben muss, dass es mir schon etwas geholfen hat, dass ich zuvor schon das eine oder andere Buch zum Themen Astro- und Quantenphysik (für Laien) gelesen habe und nicht total unvorbereitet in die Materie geworfen wurde. Noch viel wichtiger ist aber, dass aus diesem Buch so viel Enthusiasmus für Forschung und unser Streben nach Erkenntnis und Verständnis spricht, dass man nicht umhinkommt, mitgerissen zu werden.
Neben dieser ansteckenden „Science is awesome“-Attitüde, sind es aber natürlich die Endzeitszenarien, die die Stars dieses Buches sind. Nach einem Rückblick auf Jedermanns Lieblingstheorie – die Big Bang Theory – und den Anfang unseres Universums, werden unsere Protagonisten vorgestellt, die uns ins Ende führen. Jeder der Stars dieses kosmischen Spektakels bekommt sein eigenes Kapitel, seine eigene Bühne. „The End of Everything“ starring Heat Death, Big Crunch, Bounce, Big Rip and Vacuum Decay. Alle von ihnen sind faszinierend. Alle sind furchteinflößend. Und alle sind schön – auf ihre eigene spezielle Art…
Und wer bei diesen verheißungsvollen Namen schon die Angst vor dem kurz bevorstehenden Ende in sich aufsteigen spürt, sei „beruhigt“. Wenn und falls eines dieser Szenarien eintritt, existiert die Erde vermutlich nicht mehr. Die meisten und wahrscheinlichsten dieser Szenarien, so habe ich durch dieses Buch gelernt, liegen viele Milliarden Jahre in der Zukunft. Unsere Erde wurde zu diesem Zeitpunkt bereits durch die sich aufblähende Sonne verschluckt. Unser Planet endet in Flammen – diese Frage können wir eindeutig klären. Doch selbst das passiert erst in ca. 5 Milliarden Jahren. Wir haben also noch ein wenig Zeit. Das Ende des Universums stellt keine konkrete Gefahr für uns dar. Es gibt dringendere und aktuellere Probleme auf unserem Planeten, um die man sich Gedanken machen sollte.
Obwohl… Eines dieser Szenarien könnte tatsächlich jederzeit eintreten. Das Universum könnte jeden Augenblick aufhören zu existieren. Quasi mit einem Fingerschnipsen. Wenn ihr mal nicht schlafen wollt, dann googelt doch mal Vacuum Decay und suhlt euch stattdessen in einer existentiellen Krise.
Nun, das klingt alles ziemlich deprimierend, ich weiß. Aber das sollte es eigentlich nicht, denn tatsächlich fand ich den Inhalt dieses Buches auf eine bizarre Art und Weise tröstlich. Unser Planet, unser Sonnensystem, unsere Galaxie und unser Universum werden fortbestehen, vermutlich lange nachdem unsere Spezies nicht mehr existiert. Aber an einem weit entfernten Punkt in der Zukunft, wird alles enden. Sogar das Universum. Und dieses Ende ist, nun ja, universell, allumfassend. Es liegt, so finde ich, etwas Schönes in der Unausweichlichkeit dieser Zukunft. Und ja, auch darin, dass wir überhaupt keinen Einfluss darauf haben, ob und wann dies passiert. Das Ende des Universums ist nicht das Produkt von Umweltverschmutzung, Kriegen, Pandemien und sozialer Ungleichheit, sondern von Naturgesetzen, von Physik. Das klingt fair. Unser Leben und die Zukunft unserer Spezies dagegen liegen sehr wohl in unserer Hand. Der Gedanke an das Ende des Universums sollte also nicht paralysieren, sondern motivieren. „Am Ende sind wir dem Universum egal“ ist eine Aussage mit hohem Wahrheitsgehalt, aber das heißt nicht, dass wir uns selbst egal sein müssen.
Schönheit liegt auch darin, dass uns dieses Buch die Möglichkeit bietet, beim Ende des Universums dabei zu sein. Mit angenehmem Abstand versteht sich, als Beobachter*innen. Ich fühlte mich beim Lesen oft an die Szene aus Fight Club erinnert, in der der namenlose Protagonist und Marla Hand in Hand am Fenster stehen und dabei zusehen, wie die Stadt explodiert, während im Hintergrund ein Pixies Song läuft. Während Katie Mack erläutert, wie Galaxien kollidieren oder ins unendliche Nichts auseinanderdriften, stehen wir am Fenster und blicken auf dieses kosmische Schauspiel. Das Ende des Universums ist furchteinflößend, faszinierend – und wunderschön. Genau wie dieses Buch.
Infos zum Buch
Titel: The End of Everything (Astrophysically Speaking)
Autorin: Katie Mack
Verlag: Allan Lane / Penguin Random House UK
Seiten: 226
ISBN: 978-0241372333
P.S. Wer keine Lust zum Lesen hat: Ich kann euch auch das Hörbuch – gesprochen von Gabra Zackman – sehr empfehlen.
P.P.S. The End of Everything (Astrophysically Speaking) erscheint am 01. September auf Deutsch im Piper Verlag unter dem Titel Das Ende von allem*: *astrophysikalisch betrachtet.
Over and out.
Puh
Stärker Tobac
Aber ja
Die Erde gab es vor uns und die wird es nach uns geben
Punkt
Danke für das Brechen der Lanze, sonst würde wohl kaum wer Physik lesen
Ganz liebe Grüße
Nina
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