Zwar soll man Bücher nicht nach ihrem Einband beurteilen, aber ich muss zugeben, dass ich hin und wieder Bücher in den virtuellen oder echten Einkaufswagen lege, weil sie schön aussehen. Neverwhere von Neil Gaiman ist definitiv eines dieser Bücher. Denn obwohl der gute alte Goodreads Algorithmus der Meinung war, mir würde vor allem der Inhalt zusagen – weshalb er mir das Buch vorschlug – war es letztendlich das wunderschöne Cover der illustrierten Ausgabe, das mich zum Kauf bewogen hat.
Wie ich im Vorwort erfuhr, war Neverwhere ursprünglich als Fernsehserie konzipiert. Da aber bei der Produktion einige Dinge gestrichen wurden, entschied sich Neil Gaiman, den Figuren und der Handlung mehr Raum zu geben und die Geschichte als Roman zu veröffentlichen. Das Buch wurde zum Bestseller und übertraf die Bekanntheit und den Erfolg der Fernsehserie mühelos.
Das Urban Fantasy Abenteuer erzählt die Story von Richard Mayhew, der eines Abends, als er mit seiner Verlobten auf dem Weg zum Abendessen ist, eine verletzte, junge Frau auf der Straße findet und beschließt, ihr zu helfen – entgegen der Anweisung seiner Verlobten. Kurzerhand nimmt Richard das Mädchen, das den ungewöhnlichen Namen Door trägt, mit in seine Wohnung um dort ihre Wunden zu versorgen.
Am nächsten Morgen wird Richard von zwei sehr merkwürdigen Gestalten, Mr. Croup und Mr. Vandemar, aufgesucht, die offenbar auf der Suche nach Door sind. Er kann sie zunächst abwimmeln, doch erfährt, dass die beiden Auftragsmörder sind und das Mädchen auf der Flucht vor ihnen ist. Door bittet Richard, den Marquis de Carabas aufzusuchen, da er der einzige Mann ist, der ihr helfen kann. Als Richard den Marquis gefunden und ihn, nachdem sie zuerst einen merkwürdigen Mann im Vogelkostüm aufgesucht haben, in sein Apartment geführt hat, reisen Door und der Marquis sofort ab. Das seltsame Abenteuer scheint beendet.
Doch bald muss Richard feststellen, dass er offensichtlich nicht mehr zu existieren scheint – Taxis halten nicht für ihn an, seine Mitmenschen können ihn nicht mehr sehen und seine Wohnung wird neu vermietet obwohl Richard noch darin wohnt. Um sein altes Leben zurückzubekommen, begibt sich Richard auf die Suche nach Door und dem Marquis. Seine Reise führt ihn ins „London Below“ (Unter-London), einem verborgenen Reich unterhalb des „normalen“ Londons, das hier als „London Above“ bekannt ist. In dieser Welt zwischen Abwassertunneln und Untergrundbahnhöfen trifft Richard auf allerhand Merkwürdiges: Menschen, die mit Ratten sprechen können, leuchtende Engelsgestalten, Untergrund-Mönche, riesige Ungeheuer und viele, viele Geheimnisse…
Der Protagonist, Richard, ist nicht unbedingt der einprägsamste Charakter, er ist eher vom Schlag „Typ von Nebenan“. Dafür sind die Nebencharaktere umso spannender. Vor allem der Marquis de Carabas, weil man als Leser nie sicher ist, ob man ihm trauen kann. Die Auftragsmörder, Vandemar und Croup, sind ekelhaft und schmierig, und doch liest man eigentlich gerne von ihnen, denn sie sind tolle Antagonisten. Der eigentliche Bösewicht, der hinter allem Unheil steckt, wird allerdings erst später enthüllt – ein schöner WHAT?!-Moment.
Hier und da merkt man allerdings, dass Neverwhere ursprünglich als Fernsehserie erdacht war. Ab und zu tauchen Sätze auf, die eher wie eine Regieanweisung wirken als Teil eines Romans. Aber insgesamt tut das der Sache keine Abbruch.
Die Geschichte an sich würde ich in die Kategorie „solide Unterhaltung“ einordnen. Es ist nicht das spannendste Abenteuer von dem ich je gelesen habe, aber eignet sich doch gut dazu, einen verregneten Sonntag im Lesesessel zu verbringen. Was das Buch allerdings auszeichnet ist die Atmosphäre, die Neil Gaiman hier erschaffen hat. Diese düstere Landschaft, die sich zwischen abgedunkelten U-Bahnen und Tunnelsystemen tief unterhalb von London erstreckt, ist wirklich fantastisch. Untermalt wird das durch die wunderschönen Illustrationen von Chris Riddell – erst durch sie wird das Buch in meinem Augen zu etwas wirklich Besonderem.
Wer also eine Schwäche für gute Urban Fantasy Abenteuer hat, ist bei Neverwhere an der richtigen Adresse. Und wer tolle Illustrationen mag, erst recht.
Infos zum Buch
Titel: Neverwhere (Illustrated Edition)
Autor: Neil Gaiman
Illustrationen: Chris Riddell
Verlag: Headline
Veröffentlichung: 2016
Seiten: 448
ISBN: 1472228413
Sprache: Englisch
Deutscher Titel (nicht illustriert): Niemalsland (aus dem Englischen von Tobias Schnettler, Broschiert, Eichbornverlag 2016, ISBN 3847906151)
Klingt ja sehr interessant, muss ich mir definitiv auch mal anschauen
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Und jetzt unbedingt die Audioversion mit James McAvoy, Natlie Dormer und Benedict Cumberbatch anhören (https://www.amazon.de/Neverwhere-Neil-Gaiman/dp/1471316475)!
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Jau, die steht auch noch auf meiner Hörliste 🙂 Allein schon wegen Cumberbenny.
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Ich muss erst mal „Das Graveyard-Buch“ von ihm lesen:( Bin völlig hinterher …
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Das Graveyard-Book hab ich mir auch direkt noch zugelegt. Bin gespannt!
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Du musst mir unbedingt erzählen, ob es sich lohnt es zu lesen!
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Wenn ich es denn vor dir schaffe, gern 🙂 Mein Stapel zu lesender Bücher wächst auch unaufhörlich…
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Bestimmt! Wenn ich erst mal von meinem Bücherstapel erschlagen wurde, hast du noch genügend Zeit zum Lesen.
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Uh, das ist ja spannend, dass du es gelesen hast. Mich hat lange mal interessiert wie das Buch auf andere wirkt, aber die Anzahl an Rezensionen bei Goodreads erschlägt mich immer. Ich lese lieber bei den Blogs mit, die ich kenne.
Vorher war ich von Neil Gaiman schwer begeistert und American Gods wurde ganz ganz schnell eins meiner ungeschlagenen Lieblingsbücher. Aber Neverwhere hat mich irgendwie im Stich gelassen und nicht begeistern können. Es war für mich so wie du schon geschrieben hast: dass es sich wie eine Fernsehserie anfühlt. Inklusive zu vieler vorhersehbarer Wendungen und Ideen. Dass ich die (alte) deutsche Ausgabe gelesen habe, war dabei nicht hilfreich. Das englisch Hörbuch allerdings, in dem ein gewisser B. Cumberbatch eine wichtige Rolle spricht, hat mich sehr mitgerissen.
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Jaaa, das Hörbuch muss ich mir auch noch anhören, ich bin schon sehr gespannt 🙂
Ich denke auch, dass mich das Buch tatsächlich nur wegen Illustrationen so gemocht habe – anderenfalls wäre es vermutlich eher ein durchschnittliches Leseerlebnis gewesen.
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Eine toll geschriebene Rezension! Vielen Dank dafür! 🙏🏼
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Toll geschriebene Rezension!! Vielen Dank dafür! 🙏🏼
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Oh, vielen Dank für die netten Worte 🙂
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